ein Beitrag von einer anonymen Autorin
(Studierende der Europa-Universität Flensburg)

Reisen, ferne Länder erkunden, die Welt verstehen lernen, das sind die Träume der jungen Generationen (vgl. Travel Through 2017). Neugierde und Entdeckerlust als intrinsische Kräfte des Menschen, erweckt den Wunsch, sich teleportieren zu können. Blitzschnell an einem anderen Ort zu sein, ohne dafür eine lange Reise auf sich nehmen zu müssen, kann gerade im schulischen Kontext eine Bereicherung sein. Virtual Reality (VR) macht es möglich und transportiert die Benutzer*innen an beliebige und auch fiktive Orte: Mit VR um die Welt, dank der Digitalisierung von Lerninhalten. Virtuelle Realität ist das Wahrnehmen der Realität in einer virtuellen Umgebung. Heutzutage kann man Virtuelle Realität mithilfe von Brillen, Controllern, Software, Spielen und Filmen erleben. Der Unterschied zum 3D-Kino besteht dabei in der Ausfüllung des gesamten Sichtfeldes durch die VR-Brille. Durch diesen Rundum-Blick gelingt eine vollkommene Ausblendung der Umgebung zugunsten einer virtuellen Welt. Ein weiteres Merkmal der virtuellen Realität ist das sogenannte Head-Tracking: die Kopfbewegungen werden in die virtuelle Realität übertragen, sodass das Gehirn tatsächlich davon überzeugt ist, woanders zu sein. Es gibt rein mechanische Smartphone-Halterungen (Google Cardboard und Varianten wie Zeiss VR One), Smartphone-Halterungen mit eingebauter Elektronik (Samsung Gear VR, LG 360 VR) und Headsets mit eigenem Display (Oculus Rift, HTC Vive, PlaystationVR, Razr OSVR, vgl. Janssen 2016). Die rein mechanischen Smartphone-Halterungen eignen sich besonders gut für den Einsatz im Unterricht, da sie aus Pappe bestehen und daher für wenige Euro erworben werden können. Ihre Funktionsweise ist simpel. Das Smartphone wird in der Papp-Halterung befestigt und das Display wird durch zwei Lupenlinsen vergrößert. Unterschiedlichste Fächer können VR nutzen, um beispielsweise mit Schüler*innen zum Mond zu fliegen, einen Blick auf das menschliche Herz zu werfen, verschiedene Zeitepochen zu erkunden, Naturereignisse zu besichtigen und viele weiter Orte zu sehen.

Ohne das Klassenzimmer verlassen zu müssen, können Lehrkräfte ihre Schüler*innen in andere Welten und an nie gesehene Orte mitnehmen. Möglich ist dies durch VR-Apps wie Google Expeditionen. Hier können Schüler*innen derzeit an über 700 virtuellen Exkursionen teilnehmen. Dieses interaktive Lernerlebnis bringt Abwechslung und Spaß und kann Unterrichtsinhalte anschaulicher und damit greifbarer für die Schüler*innen darstellen.

Ein Nachteil der VR-Brillen kann sein, dass einigen Menschen schon nach kurzer Zeit an Übelkeit leiden und sie zu einer Pause gezwungen sind. Visually Induced Motion Sickness – kurz VIMS nennt sich diese kurzzeitige Übelkeit. Auslöser dafür sind widersprüchliche Signale von Augen und Innenohr, so der Diplom-Psychologe Behrang Keshavarz. Auf der Website „Techbook“ finden sich folgende Tipps, um diesem Übelkeitsgefühl vorzubeugen: eine gute Luftzirkulation im Raum und angenehme Gerüche, sowie Musik können bereits Abhilfe verschaffen. Zudem kann wiederholtes „VR-Training“ helfen VIMS zu reduzieren.

VR im Religionsunterricht

Im Religionsunterricht kann VR genutzt werden, um u.a. eine Besichtigung von Gotteshäusern zu ermöglichen. Durch diese digitale Möglichkeit werden eine aufwändige Organisation und Anreise eingespart, zudem werden Besichtigungen dadurch erst möglich gemacht, die bei weit entfernten Kirchen nicht möglich gewesen wären. Beispielsweise können durch die VR-Technik jüdische Institutionen ohne Probleme besichtigt werden, die sonst zum Schutz vor Terroranschlägen strengen Sicherheitsmaßnahmen unterliegen. Auch können die Schüler*innen mithilfe der VR-Technologie die fernen Wüsten des Abendlandes besuchen, in Darstellungen biblischer Geschichten abtauchen und audiovisuelle Rundgänge durch virtuelle Museen erleben. Die Software „Religiopolis – Weltreligionen erleben“ eignet sich, um einen solchen performativen Religionsunterricht mit VR-Brillen zu gestalten. Die Einsatzmöglichkeiten von VR können eine bereichernde Wirkung auf den Religionsunterricht haben, da die Technologie das verstaubte Image der Glaubenslehre ins 21. Jahrhundert holt.

Übertragung auf den diklusiven Kontext

Ausgenommen von sehbeeinträchtigten Schüler*innen, kann die VR-Technologie das Klassenzimmer als Tor zur Welt erscheinen lassen. Schüler*innen mit Migrationshintergrund können ihren Mitschüler*innen ihre Herkunftsländer vorstellen und Wertschätzung erfahren. In den virtuellen Welten stellen Gehbehinderungen kein Hindernis bei der gemeinsamen Erkundung von fremden Orten dar und zudem wird den Schüler*innen ein geschützter Raum geboten, den sie in ihrem eigenen Tempo und beliebig oft erkunden können. Einzige Voraussetzung für diese digitale und inklusive Möglichkeit des Lernens, ist ein funktionstüchtiges Smartphone. Oft sind ab der 5. Klasse alle Schüler*innen mit einem Smartphone ausgestattet. Für Kinder die kein eigenes Smartphone besitzen, weil sie beispielsweise aus armen Haushalten stammen, durch eine Flucht mittellos geworden sind, die Erziehungsberechtigten gegen den Besitz eines eignen Smartphones sind, oder sich das Smartphone in der Reparatur befindet, müssen Bildungseinrichtungen mit ausleihbaren Smartphones ausgestattet sein, um den inklusiven Charakter der VR-Technologie für alle Schüler*innen erfahrbar machen zu können.

Literatur

Travel Through – The Generations Report“ (2017) by eDreams. (Zugriff: 08.05.2020/ 9:22)

Janssen, J.-K. (2016). „Was sie über Virtuell Reality wissen müssen
(Zugriff: 08.05.2020/ 07:44Uhr)

Porwol, Thomas (2018). „Warum VR-Spiele Übelkeit auslösen – und was man dagegen tun kann“. (Zugriff: 11.04.2020 / 8:58Uhr)

Computerspiel: „Religiopolis – Weltreligionen erleben“, Klett Verlag 2004. ISBN: 978-3-12-238120-2 (Zugriff: 12.06.2020/ 11:59)

Hinweis: Der Text wurde von Dr. Lea Schulz redaktionell überarbeitet (Rechtschreibung, Grammatik, Überschriften).