Die Texte sind im Rahmen des Seminars der Europa-Universität Flensburg entstanden. Die Studierenden rezensieren Texte zum Thema Digitale Medien und/oder Inklusion und übertragen die Inhalte auf einen diklusiven Unterricht. Die Meinung der Autoren muss sich nicht zwangsläufig mit der Meinung der Seiteninhaberin decken.
Autorin: Franziska Wendte
Schmoelz, A., Kremsner, G., Proyer, M., Pfeiffer, D., Möhlen, L-K. & Karpouzis, K. (2017). Inklusiver Unterricht mit Digitalen Spielen.
Microsoft Word – Textfee
In Digitale Grundbildung Band 55 Nr. 2. medienimpulse. Download am 06.02.2020
1. Allgemein
Exklusion ist ein Bestandteil unsere heutige Gesellschaft – von Ausgrenzen von Menschen mit Migrationshintergrund oder Menschen mit Behinderung, alltäglichen Mobbing und Diskriminierungshandlungen bis zu Ungleichheiten im Bildungsbereich. Der Artikel „Inklusiver Unterricht mit Digitalen Spielen“ von Schmoelz et al. 2017 beschäftigt sich mit der Thematik „Inklusion durch Spiele im Unterricht zu fördern“. Im Folgenden erfolgt eine Zusammenfassung dieses Artikels und meine Sichtweise zu der Thematik.
2. Soziale Inklusion
Es besteht ein enger Zusammenhang zwischen Exklusion, Integration und sozialer Inklusion. In den meisten europäischen Ländern kommen alle drei Systeme in verschiedenen Ausmaßen und/oder Kombinationen vor. Jedes Modell kann zudem entweder aus der Sicht eines Zugehörigen (also von Personen innerhalb des Kreises) oder aus der Sicht eines Außenstehenden (eine Person außerhalb des Kreises) interpretiert werden.
Im Modell der Exklusion wird einem Menschen oder bestimmten sozialen Gruppen die Teilhabe an der Gesellschaft verwehrt. Häufig spielen die Gegebenheiten des Elternhauses eine bedeutende Rolle wie zum Beispiel Armut und/oder Arbeitslosigkeit. Bourdieu spricht in diesen Zusammenhang von fehlendem kulturellem Kapital, welches wiederum zu einem Nachteil im Bereich Bildung führt. Da aber eine gute Bildung in unserer heutigen Gesellschaft als Hauptfaktor zur Teilhabe darstellt, reproduzieren sich durch unser Schulsystem systematisch Exklusionsmechanismen, Machtkonstellationen und gesellschaftliche Ungleichheiten.
Bei Integration wird sich bemüht die „Außenstehenden“ in die Gesellschaft einzubeziehen. Dennoch gibt es hier immer noch einen gewissen Grad von Exklusion. Ein Beispiel wären Behinderten-Einrichtungen oder -Schulen. Allerdings gilt der Begriff seit Anfang der 2000er- Jahre als veraltet.
Inklusion ist das Prinzip der vollen Teilhabe und Forderung von gleichem Zugang auf allen Ebenen. Jeder sollte die Kontrolle über sein/ihr Leben haben. Nach John O ́Brien sollte jeder die Verantwortung übernehmen, das Gemeinschaftsleben zu fördern und zu verbessern, sodass jeder mit den gleichen Bedingungen ohne bestimmte Voraussetzungen daran teilnehmen kann.
3. Spiele für soziale Inklusion
Zuerst müssen wir uns vor Augen führen, dass Spiele keine direkte Maßnahme sind, um soziale Ungleichheiten wie Armut und sozialer Ausgrenzung zu verhindern. Aber sie können zum Nachdenken anregen und bestimmte Lern- und Empowerment-Prozesse wie soziale Teilhabe und Kommunikation begünstigen. Beim Spielen entstehen Prozesse des Nachdenkens über die eigenen Handlungen und Meinungen, woraufhin neue Strategien entwickelt werden können. Unter Empowerment sind Strategien gemeint, die entwickelt werden müssen, um ein selbstbestimmtes Leben führen zu können. Kinder können durch Spiele Fähigkeiten entwickeln, die ihnen bei später wichtigen Aufgaben helfen können. Da ein Spiel eine sichere Umgebung bietet, kann das Handeln im Spiel später auf die reale Welt übertragen werden. So können Schüler zur Teilhabe an der Gesellschaft befähigt werden.
Zu beachten ist die Zugänglichkeit für die verschiedenen Zielgruppen. Barrieren, wie technische, müssen deshalb möglichst geringgehalten werden. Aber auch die pädagogische Einbettung im Unterricht spielt eine entscheidende Rolle. Denn es erfordert eine professionelle Planung und Umsetzung. Um inklusiven Unterricht zu gestalten sind vor allem ein didaktischer Perspektivwechsel, sowie die Zusammenarbeit von Lehrer/innen, Flexibilität und Differenzierung erforderlich. „Spielbasiertes Lernen wird gefördert, wenn das Lernen auf die Bedürfnisse, Überzeugungen und Fähigkeiten jeder/s Spielerin zugeschnitten ist (Egenfeldt- Nielsen 2007).“ (Schmoelz et al. 2017, S. 16)
4. Spiel-basierter Dialog
Bei spiel-basierten Dialogen werden die eben gemachten Spielerfahrungen reflektiert und diskutiert. Dieses reflektierende Denken gilt als Schlüsselkompetenz zur Förderung von sozialer Inklusion. Es gibt verschiedenen Formen der spiel-basierenden Dialoge, unter anderem der narrativ-sokratischer Dialog und die bildbasierte Debatte.
4.1 Narrativ-sokratischer Dialog
Der narrativ-sokratischer Dialog ist in drei Phasen unterteilt. In der generativen Phase stellt der Begleiter/die Begleiterin (z.B. eine Lehrkraft) eine Frage/mehrere Fragen. Der Beantworter/die Beantworterin/die Beantworter (z.B. Schüler) haben nun Zeit, ohne jegliche Unterbrechungen zu reden. Der Begleiter greift nur ein, um bestimmte Argumente zu festigen oder um das Gespräch am Laufen zu halten.
Daraufhin folgt die immanente Phase. Hier sollen die Hauptaspekte aus der generativen Phase nochmal aufgegriffen bzw. bekräftigt werden. Der Begleiter stellt Fragen, die den Befragten/die Befragte/die Befragten dazu bringt/dazu bringen sich zu überlegen, wie ihre/seine Gedanken über eine Erfahrung entstanden sind. Ein zweites Ziel ist das Rekonstruieren der persönlichen Geschichte durch bestimmte persönliche Erfahrungen.
In der exmanenten Phase stellt der Begleiter/die Begleiterin Fragen, um neue Themengebiete zu eröffnen. Das ist die einzige Phase, indem der Begleiter/die Begleiterin Aspekte einbringt, die nicht von den Teilnehmern selbst genannt wurden. Es geht hier auch um die Stellung von sokratischen Fragen, um eine Beurteilung und kritische Betrachtung des bereits Gesagten zu erlangen.
4.2 Bildbasierte Debatte
Der Begleiter/die Begleiterin legt verschiedene Bilder mit verschiedenen Aspekten aus. Es geht hauptsächlich um gesellschaftliche Fragen. So können die Bilder zum Beispiel eine Frau mit einer Burka, ein Flüchtlingslager oder das Thema „Behinderung“ aufzeigen. Jeder der Teilnehmer soll sich nun ein Bild aussuchen und erklärt im Plenum, was sie/er über das Bild denkt und warum es dieses Bild ausgewählt hat. Sinn und Zweck dieser Übung ist das Bewusstsein und die kritische Betrachtung sowie die Auseinandersetzung mit verschiedenen gesellschaftlichen Aspekten bzw. Fragen. Auch zeigt sich hier die Aufgeschlossenheit gegenüber verschiedenen Perspektiven eines bestimmten Themas.
5. Forschungsmethoden und Diskussion
Schmoelz et al. 2017 stellt drei Unterrichtsszenarien vor, welche in unterschiedlichen pädagogischen Settings erprobt und untersucht wurden. Es wurde sich dabei auch an einen inklusiven Ansatz orientiert. Es wurden verschiedene nicht-akademische Gruppen miteinbezogen in dem gesamten Forschungsprozess – vom Entwickeln der Forschungsfragen bis hin zur Datenerfassung und Auswertung. „Der oberste Grundsatz von inklusiver Forschung ist, Forschung mit statt über Menschen zu betreiben – und zwar mit einem Schwerpunkt gemeinschaftlich geteiltes bzw. erarbeitetes Fachwissen.“ (Schmoelz et al. 2017, S. 22)
Ergebnisse zeigten die zentralen Probleme in Schulen bezüglich Exklusion und Ungleichheiten. Als erster Aspekt das zentrale Thema Mobbing in Verbindung mit Rassismus und Diskriminierung gegenüber anderen Schülern/innen. Spannungen zwischen sozialen Einbezogenen und Ausgeschlossenen manifestieren sich besonders in Schulen. Durch strenge curriculare Vorgaben bleibt wenig Raum, Erfahrungen zu Themen wie globalen Krisen, Terrorismus, Flüchtlingskrisen und politischen Kontroversen in Bezug auf alltägliche Krisen zu thematisieren und Schüler/innen zum Nachdenken zu regen. Die erprobten Unterrichtszenarien mit Spielen sowie spielbasierten-Dialoge ermöglichen einen inklusiven Unterrichtsansatz und können zentrale Problemlagen somit thematisieren. Wichtig ist aber, wie bereits erwähnt, die pädagogische Einbettung. Schüler/innen müssen als Experten/Expertinnen in den (digitalen) Spielen agieren können. Sind eine professionelle pädagogische Einstellung und die Möglichkeit nicht vorhanden für Schüler als Experte agieren zu können, so wird das Potential von Spielen oder spielerischen Dialogen massiv eingeschränkt und führt nicht zum gewünschten Ergebnis.
6. Stellungnahme
Ich glaube nicht, dass digitale Spiele allein dabei helfen, Diskriminierung und Ausgrenzung zu verhindern. Wie bereits erwähnt ist die pädagogische Einbettung von großer Bedeutung . Dennoch denke ich, dass Spiele einen Beitrag dazu leisten können, dass Schüler über gesellschaftliche Strukturen reflektieren und somit eventuelle Verhaltensstrukturen erkennen und auflösen können. Aber sie bekämpfen meiner Meinung nach nicht die Ursache.
Strukturen und Muster von Diskriminierung und Exklusion greifen viel höher und nicht nur auf schulischer Ebene. Es fängt schon in unserer Erziehung an. Wer von seinen Eltern immer wieder hört „Ausländer sind das Problem“ oder „Spiel bloß nicht mit dem. Der ist kein guter Umgang für dich.“, der entwickelt Verhaltensmuster, die diskriminierend auf andere sein können. Solche Erziehungsmuster sitzen oft sehr tief.
Allein unser Schulsystem ist auf Homogenität ausgerichtet. Wie soll hier Heterogenität geschweige denn Inklusion berücksichtigt werden? Es wird immer wieder berichtet von Lehrkräften, die klassischen Unterricht in einen inklusiven Unterricht umstrukturieren sollen. Aber ich bin der Meinung, um dieses Ziel möglichst erfolgreich durchsetzen zu können, ein bedeutender Aspekt eine Umstrukturierung des Schulsystems sein sollte. Bis dahin müssen wir als Lehrkräfte aber das Beste daraus machen. Und der Einsatz von Spielen im Unterricht könnte durchaus ein Ansatz dafür sein, aber es erfordert sicher noch mehr.