Die Texte sind im Rahmen des Seminars der Europa-Universität Flensburg entstanden. Die Studierenden rezensieren Texte zum Thema Digitale Medien und/oder Inklusion und übertragen die Inhalte auf einen diklusiven Unterricht. Die Meinung der Autoren muss sich nicht zwangsläufig mit der Meinung der Seiteninhaberin decken.

Autorin: Carina Meier

Gervé, Friedrich (2016): Digitale Medien als „Sache“ des Sachunterrichts.

In: Peschel, Markus/Irion, Thomas (Hrsg.): Neue Medien in der Grundschule 2.0: Grundlagen- Konzepte-Perspektiven. Frankfurt am Main: Grundschulverband e.V., S. 121-134.

Die digitalen Medien werden schon früh ein Teil der kindlichen Lebenswelt, indem die Kinder selbst das massive Angebot, zum Beispiel der Unterhaltungsmedien nutzen oder den selbstverständlichen Gebrauch der digitalen Medien in ihrem Umfeld wahrnehmen. Aus diesem Grund ist es nach dem Prinzip der Lebensweltorientierung, die Aufgabe des Sachunterrichtes, digitale Medien im Unterricht zu behandeln (vgl. GDSU, 2013, S. 10; vgl. Gervé, 2016, S.122).

Friedrich Gervé (2016) zeigt auf, dass die digitalen Medien in der unterrichtlichen Praxis häufig als Werkzeuge zur Welterschließung eingesetzt werden (vgl. S. 121), dadurch, dass sie Sachverhalte und Phänomene für die Kinder veranschaulichen und zugänglich machen (vgl. Gervé, 2015, S. 496). Für den Sachunterricht eröffnet sich jedoch neben dem Lernen mit Medien, auch der Bereich Lernen über Medien, indem die digitalen Medien als Lerngegenstand, als Sache im Unterricht, vielperspektivisch behandelt werden und zu „einer aktiv-kritischen Auseinandersetzung […] nach dem Prinzip der Handlungs- und Problemorientierung“ (Gervé, 2016, S. 122) führen können. Bei dem Einsatz der digitalen Medien als Lerngegenstand ist zu beachten, dass dieser didaktisch aufbereitet werden muss. Als Folge für die Lehrer*innenbildung bedeutet dies, dass das Erkennen des Bildungspotenzials eines Gegenstandes und die Einbindung in die Praxis bereits in der Ausbildung gefördert werden muss (vgl. ebd. S. 132). Dadurch sind die Lehrkräfte aufgefordert, „den Kindern offener zuzuschauen, zuzuhören und mehr zuzutrauen, als sie kontrolliert und in traditioneller Systematik belehren zu wollen“ (ebd.). Es gilt, sich die neue Alltagssprache der Zeit der Digitalisierung anzueignen, um den Unterricht kompetent führen und die Inhalte vermitteln zu können. Der internationale TPACK-Ansatz von Koehler/Mishra (2009) beinhaltet dazu Lehrkompetenzen, die für die Nutzung von digitalen Medien im schulischen Kontext unabdingbar sind (vgl. Irion, 2016, S.28).

Die Medienkompetenz beschreibt das Ziel der Medienerziehung im Unterricht, welche nach Gervé (2016) neben den „Kenntnisse[n] über Funktionen“ der digitale Medien, auch Fähigkeiten und Fertigkeiten in Bezug auf die Anwendung der Kenntnisse und „Einstellungen als normative Voraussetzung für ein verantwortliches Handeln“ (vgl. ebd., S. 122) mit digitalen Medien umfasst. Die digitalen Medien als Unterrichtsgegenstand können aus allen Perspektiven des Sachunterrichts betrachtet und sogar fächerübergreifend (z.B. im Kunstunterricht) unterrichtet werden. Gervé (2016) zeigt in seinem Text verschiedene Methoden und Themenbereiche für den Unterricht auf, die es erlauben, digitale Medien als Sache zu betrachten (Abb. 1). Er stellt mit seinen Beispielen heraus, dass neben der Medienbedienung (vgl. ebd., S. 125) auch die Nutzung von digitalen Medien durch die eigene Dokumentation über Strichlisten im Unterricht behandelt werden und dadurch „die Wahrnehmung des eigenen Verhaltens und dessen Reflexion im Vergleich mit anderen“ (ebd. S. 126-127) bei den Kindern hervorgerufen werden kann und insofern zur verantwortlichen Selbstbestimmung beiträgt.

Darstellung verschiedener Medien als Unterrichtsgegenstand
Medien als Unterrichtsgegenstand: Themenbereiche (entnommen aus Gervé, 2016, S. 124)

Einsatz der digitalen Medien im inklusiven Unterricht

Neben den sachunterrichtlichen Perspektiven der Gesellschaft für Sachunterricht (GDSU) lassen die digitalen Medien ebenfalls eine Perspektive für den inklusiven Unterricht erkennen und „versprechen eine wahre Teilhabe von Schüler(inne)n […], die drohen aufgrund von Behinderung, Migrationshintergrund oder geringerer Bildungschancen von der Gesellschaft ausgeschlossen zu werden“ (Schulz, 2018, S. 345). Durch den Einsatz der digitalen Medien gelingt vor allem das individualisierte Lernen, indem E-Learning-Programme den Lernenden ermöglichen, sich in ihrem eigenen Lerntempo die Unterrichtsinhalte anzueignen und den Lehrenden die Differenzierung der Inhalte und Aufgabenstellungen erleichtern. Aber auch auf der Ebene der Lerngruppe ergeben sich viele Handlungsmöglichkeiten für den inklusiven Unterricht (vgl. ebd., S. 346). Gervé ist der Überzeugung, dass „das Prinzip der Diversität als Chance“ erst durch die Inklusion aller Lernenden deutlich wird (2016, S. 122).

Meiner Meinung nach ergeben sich gerade durch die heterogene Zusammensetzung einer Lerngruppe, Möglichkeiten zum kooperativen und kollaborativen Lernen, welche durch den Einsatz von digitalen Medien eine neue Ebene erreichen. Die Kommunikation innerhalb einer Arbeitsgruppe kann über die digitalen Medien z.B. in Chatrooms, auch außerhalb der Unterrichtszeit erfolgen und Arbeitsergebnisse können an einem gemeinsamen Dokument über Google Docs bearbeitet und gemeinsam zu einem Endprodukt zusammengefügt werden. So führt beispielsweise ein krankheitsbedingtes Fehlen eines Gruppenmitgliedes im Unterricht nicht zwangsläufig dazu, dass das kranke Kind oder die gesamte Gruppe im Arbeitsprozess und Lernprozess zurückbleibt. Zusätzlich gestatten die digitalen Medien die Aufteilung von einzelnen Arbeitsschritten und begünstigen bei den Schülerinnen und Schülern die intrinsische (Lern-)Motivation, da die Aufgaben nach vorhandenem Interesse und Erfahrung im Anforderungsbereich unter den Gruppenmitgliedern vergeben werden können. Des Weiteren erlaubt es der Einsatz der digitalen Medien im Sachunterricht, Phänomene der belebten und unbelebten Umwelt genauer zu untersuchen, Informationsrecherche im Internet zu betreiben und demzufolge den Kindern wissenschaftliche Arbeits- und Forschungsmethoden aufzuzeigen, sodass die von der KMK (2016) geforderten Kompetenzbereiche (vgl. S. 10-13) im Unterricht vermittelt werden können.

Bei all dem Potenzial, welches die digitalen Medien für das Lernen im Sachunterricht mitbringen, zeigen sie auch Grenzen des Lernens auf. „Sie tragen zu einer zunehmenden Beschleunigung der Weltbegegnung bei“ (Gervé, 2015, S. 497), sodass darauf geachtet werden muss, dass der Einsatz der digitalen Medien die reale Sachbegegnung nicht ersetzt (vgl. Blaseio, 2017, S. 6). Des Weiteren muss der Unterricht von kompetenten Lehrkräften geplant werden, damit die digitalen Medien nicht ohne didaktische Überlegungen im Unterricht verwendet werden. Dazu bieten bereits einige Universitäten verpflichtende Veranstaltungen zur digitalen Bildung an, jedoch gilt es auch den derzeit praktizierenden Lehrkräften Möglichkeiten anzubieten, sich die Kompetenzen im Bereich der digitalen Medien anzueignen und sie dabei zu unterstützen. Der Blick in die Zukunft fordert, dass der (Sach- )Unterricht an Grundschulen die digitalen Medien als Werkzeuge und als Unterrichtsgegenstand thematisieren muss, um jedem Kind, mit oder ohne Behinderung, Migrationshintergrund etc., die „zukünftige Teilhabe und Gestaltung an der digitalen Gesellschaft“ (Irion/Kammerl, 2018, S.9) zu gewährleisten und um die Anschlussfähigkeit an die weiterführende Schule zu erfüllen (vgl. GDSU, 2013, S.10) .

Literatur

Blaseio, Beate (2017): Mit digitalen Medien lernen. Einsatz digitaler Medien im Sachunterricht. In: Grundschulunterricht. Sachunterricht, H.64. Jahrgang, Nr.2., S. 4-7.

Gesellschaft für Didaktik des Sachunterrichts (GDSU) (2013): Perspektivrahmen Sachunterricht. Julius Klinkhardt: Bad Heilbrunn.

Gervé, Friedrich (2015): Digitale Medien. In: Kahlert, Joachim, et al. (Hrsg.): Handbuch der Didaktik des Sachunterrichts. 2. Aufl., Julius Klinkhardt: Bad Heilbrunn, S. 496-500.

Gervé, Friedrich (2016): Digitale Medien als „Sache“ des Sachunterrichts. In: Peschel, Markus/Irion, Thomas (Hrsg.): Neue Medien in der Grundschule 2.0: Grundlagen- Konzepte-Perspektiven. Frankfurt am Main: Grundschulverband e.V., S. 121-134.

Irion, Thomas (2016): Digitale Medienbildung in der Grundschule. Primarstufenspezifische und medienpädagogische Anforderungen. In: Peschel, Markus/Irion, Thomas (Hrsg.): Neue Medien in der Grundschule 2.0: Grundlagen- Konzepte-Perspektiven. Frankfurt am Main: Grundschulverband e.V., S. 16-32.

Irion, Thomas; Kammerl, Rudolf (2018): In der digitalen Welt. Digitalisierung und medienpädagogische Aufgaben der Schule. Die Grundschulzeitschrift, 32. Jahrgang., Nr. 307., Friedrich-Verlag. S. 6-11.

Kultusministerkonferenz (2016): Bildung in der digitalen Welt. Strategie der Kultusministerkonferenz. KMK: Berlin.

Schulz, Lea (2018): Digitale Medien im Bereich Inklusion. In: Lütje-Klose, Birgit/Riecke-Baulecke, Thomas/Werning, Rolf (Hrsg.): Basiswissen Lehrerbildung: Inklusion in Schule und Unterricht. Grundlagen in der Sonderpädagogik. Seelze: Klett/Kallmeyer. S. 344-367.

Abbildungen

Abbildung 1: Medien als Unterrichtsgegenstand: Themenbereiche. In: Medienbedienung als Themenbereich. Gedanken zu Methoden und Unterrichtspraxis. In: Gervé, Friedrich (2016): Digitale Medien als „Sache“ des Sachunterrichts. In: Peschel, Markus/Irion, Thomas (Hrsg.): Neue Medien in der Grundschule 2.0: Grundlagen- Konzepte-Perspektiven. Frankfurt am Main: Grundschulverband e.V., S. 121-134.