Diklusions-Expertin und Sonderschullehrerin

Schlagwort: medienbildung

eine flagge von Europa, ein Stern fällt herunter

Die Europawahl 2024 – Eine Lektion in Demokratie, Medienbildung und digitaler Teilhabe

Am 9. Juni 2024 fanden in Deutschland die Wahlen zum Europäischen Parlament statt. Während die Parteiergebnisse diskutiert wurden, bleibt eine wichtige Lehre oft unbeachtet: Die Bedeutung von Medienbildung und kritischem Denken für eine lebendige Demokratie.

In einer Zeit der Falschinformationen und gezielten Desinformation im Netz ist die Fähigkeit, seriöse von fragwürdigen Quellen zu unterscheiden, essenziell. Manipulationen, Fake News und Hasskommentare kursieren ständig in sozialen Medien, um Stimmungen zu lenken. Deshalb müssen bereits Kinder ein Bewusstsein für diese Gefahren entwickeln und medienkompetent werden.

Das Video der Messerattacke in Mannheim kurz vor den Wahlen hat viele junge Menschen dazu gebracht, sich für die AfD zu entscheiden. Die Videos werden per WhatsApp, Tiktok und auf weiteren sozialen Medien ungefiltert und ohne thematische Einordnung geteilt.

An Schulen sind Themen wie Quellenkritik, Faktencheck und verantwortungsvoller Datenschutz unerlässlich. Nur mit diesem Rüstzeug können sich künftige Wähler eine fundierte Meinung bilden und sich vor Manipulationen schützen. Die Europawahl 2024 hat erneut gezeigt, dass Desinformation eine reale Gefahr für den demokratischen Diskurs ist.

Gleichzeitig dürfen wir die digitale Kluft nicht aus den Augen verlieren. Nicht alle haben den gleichen Zugang zu Technologien und Medienkompetenz. Fehlende digitale Teilhabe und unzureichende Medienkompetenzen können zu Ausgrenzung führen und die gemeinschaftliche Meinungsbildung erschweren. Bildungsangebote müssen daher inklusiv und barrierefrei gestaltet werden und Medienbildung als Demokratiebildung tief in den Bildungsinstitutionen des Staates (von Anfang an!) verankert sein.

Wir brauchen eine Demokratie im Zeitalter der Digitalität, in der alle Menschen unabhängig von Herkunft, Einkommen oder Behinderung medienkompetent gemacht und in Entscheidungsprozesse eingebunden werden. Nur so können wir dem wachsenden Einfluss von Manipulationen und politischer Propaganda effektiv begegnen.

Geben wir allen Kindern und Jugendlichen die nötigen Werkzeuge an die Hand und fördern wir ihre digitalen Kompetenzen. Medienbildung stärkt den kritischen Geist – und dieser ist der Kern unserer freiheitlichen, demokratischen Gesellschaft. Versäumen wir es, diesen Grundstein zu legen, riskieren wir, dass Demokratie mehr und mehr zur Illusion wird.​​​​​​​​​​​​​​​​

zwei Personen mit Smartphone im Bild, Sprechblase 1: where are you, Sprechblase 2: I'm here

Diklusive Sprachbildung

am 18.03.2022 auf der Tagung der professional school of education Ludwigsburg/ Stuttgart „Medienbildung, Digitalisierung und Inklusion – Pädagogische und fachdidaktische Perspektiven auf Schule und Unterricht

Sprache und Kommunikation sind Schlüsselkompetenzen für Bildungserfolg (Lüdtke/Stitzinger 2017, S. 9). Schwierigkeiten im sprachlichen Bereich ziehen zumeist eklatante Folgen für die Teilhabe nach sich (Theisel/Spreer/Glück 2021). Unter sprachlicher Bildung oder Sprachbildung sollen in diesem Vortrag sämtliche Maßnahmen für sprachliche Bildung zusammengefasst werden, wobei nach dem Response-To-Intervention-Modell (Voß et al. 2016) hierbei zwischen der primären (Maßnahmen im Regelunterricht für alle Schüler:innen), sekundären (fokussierte Interventionen für einzelne Kinder) und tertiären Ebene (intensive Förderung) in Bezug auf die Förderintensität unterschieden werden kann. Dabei benötigen Kinder auf den unterschiedlichen Ebenen keine Sprachfördermaßnahmen, die gänzlich anders ausgerichtet sind. Vielmehr ist der Grad der Individualisierung oder der Spezifität, oder auch die Ausrichtung an der Zone der nächsten Entwicklung auf der Basis von fundierter Diagnostik entscheidend (vgl. Schulz/Reber unver.). Ähnlich der sprachlichen Bildung ist die Medienbildung eine Querschnittsaufgabe der Schule (vgl. KMK 2016, 2021), die wesentliche Bezüge zueinander aufweisen. Sowohl Medien- als auch Sprachbildung zeigt Verknüpfungen auf, die auf die Teilhabe in, an und durch Medien und Sprache abzielen (GMK 2018, S. 2, Schulz/Reber, unv.). Der Aspekt der Diklusion (Schulz 2018, 2021), einer theoretischen Verknüpfung von Inklusion und digitalen Medien (Filk 2019, Schaumburg) in Bildungskontexten, birgt zudem Chancen für einen guten digital-inklusiven Unterricht, der gleichwohl für die Sprachbildung von hoher Relevanz ist. Diklusive Sprachbildung beschreibt dabei „den Weg zur Teilhabe in, an, durch Medien/Sprache an der Gesellschaft. Sie fördert die Entwicklung von digitalen und sprachlichen Kompetenzen und nutzt dafür gleichzeitig sowohl die digitalen Medien als auch die Sprache selbst. Sie umfasst sprachliche Lernangebote im gesamten Kontinuum zwischen unterrichtsintegrierter sprachlicher Bildung bis hin zu spezifischer Sprachförderung auf allen Interventionsebenen des RTI-Modells.“ (vgl. Schulz/Reber unver.).

Im Vortrag werden die Chancen und Optionen diklusiver Sprachbildung erörtert, die dafür notwendige kriteriengeleitete Auswahl von Medien (Reber/Wildegger-Lack 2020, S. 59) sowie Beispiele im unterrichtlichen Kontext dargelegt.

Literatur:

Filk, Christian (2019): ‹Onlife›-Partizipation für alle. Plädoyer für eine digital-inklusive Bildung. In: Burow, Olaf-Axel (Hrsg.): Schule digital – wie geht das?. Weinheim: Beltz, S. 61-81.

Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur e.V. (GMK, 2018): Medienbildung für alle: Medienbildung inklusiv gestalten! Positionspapier der Fachgruppe Inklusive Medienbildung der Gesellschaft fü r Medienpä dagogik und Kommunikationskultur e.V. (GMK). kurzelinks.de/9uk4 (Abfrage: 06.06.2021)

KMK – Kultusministerkonferenz (2016): Bildung in der digitalen Welt – Strategie der Kultusministerkonferenz. www.kmk.org/dokumentation-statistik/beschluesse-und- veroeffentlichungen/bildung-in-der-digitalen-welt.html (Abfrage: 01.01.2022).

KMK – Kulturministerkonferenz (2021): Lehren und Lernen in der digitalen Welt – ergänzende Empfehlung der Strategie „Bildung in der digitalen Welt“. https://www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/2021/2021_12_09-Lehren-und- Lernen-Digi.pdf (Abfrage 01.01.2022)

Lüdtke, Ulrike M./Stitzinger, Ulrich (2017): Kinder mit sprachlichen Beeinträchtigungen unterrichten. Fundierte Praxis in der inklusiven Grundschule. München: Reinhardt.

Reber, Karin/Wildegger-Lack, Elisabeth (2020): Sprachförderung mit Medien: Von real bis digital. Idstein: Schulz-Kirchner.

Schaumburg, H. (2021). Personalisiertes Lernen mit digitalen Medien als Herausforderung für die Schulentwicklung: Ein systematischer Forschungsüberblick. MedienPädagogik: Zeitschrift für Theorie und Praxis der Medienbildung, Themenheft 41, 134–166. Online verfügbar unter https://doi.org/10.21240/mpaed/41/2021.02.24.X

Schulz, Lea (2018). Digitale Medien im Bereich Inklusion. In Lütje-Klose, Birgit/Riecke-Baulecke, Thomas/Werning, Rolf (Hrsg.): Basiswissen Lehrerbildung: Inklusion in Schule und Unterricht, Grundlagen in der Sonderpädagogik (S. 344–367). Seelze: Klett/Kallmeyer.

Schulz, Lea (2021): Diklusive Schulentwicklung. In: Medienpädagogik 41, S. 32-54. DOI: 10.21240/mpaed/38/2021.02.03.X.

Schulz, Lea/Reber, Karin (vor. 2022, noch unveröffentlicht). Diklusive Sprachbildung. Digitale Medien im Förderschwerpunkt Sprache. In: Betz, Joachim/Schluchter, J.-R. (Hrsg.). Schulische Medienbildung und Digitalisierung im Kontext von Behinderung und Benachteiligung. Weinheim: Beltz juventa.

Theisel, Anja/Spreer, Markus/Glück, Christian W. (2021): Bildungswege von Schüler*innen mit sprachlichem Unterstützungsbedarf vom Schulbeginn bis zum Schulabschluss. In: Forschung Sprache 9 (2), S. 118-131.

Voß, Stefan/Blumenthal, Yvonne/Mahlau, Kathrin/Marten, Katharina/Diehl, Kirsten/Sikora, Simon/Hartke, Bodo (2016): Der Response-to-Intervention-Ansatz in der Praxis. Evaluationsergebnisse zum Rügener Inklusionsmodell. Münster/New York: Waxmann.

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